Auf dem Weg zu nachhaltigen Messen und Events

Datum //

31. März 2023

Autor //

Lars Lockemann

Nachhaltigkeit betrifft auch Messen und Events. Wir haben nach einem Weg gesucht, auf dem sich Unternehmen dem Thema pragmatisch nähern können. Insbesondere dann, wenn es noch keine übergeordneten Strategien und Prozesse im Unternehmen gibt, oder Messe- und Eventabteilungen aufgefordert werden, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Wir haben ab Mitte 2022 den Markt sondiert und recherchiert. Final haben wir uns dafür entscheiden, ein Pilotprojekt aufzusetzen, das aus 5 Phasen besteht: Informieren, Bilanzieren, Reduzieren, Kompensieren und Kommunizieren. Über den Weg und die Ergebnisse des Pilotprojekts berichten wir in diesem Beitrag.

Wie rechnet sich ein Messestand für die Umwelt. Wir wollten es genau wissen, und haben eine CO2-Bilanz für ein Messeprojekt ermittelt und verschiedene hypothetische Berechnungen angestellt.

Warum ist Nachhaltigkeit für Messen und Events wichtig?

Umwelt* geht uns alle an. Unabhängig von der persönlichen Einstellung erhöhen interne und externe Stakeholder zunehmend den Druck, geeignete Strategien für eine nachhaltige Entwicklung zu definieren und implementieren:

  • gesetzliche Vorgaben betreffen so gut wie alle Unternehmen. Nach 2027 wird es kaum noch Ausnahmen geben.
  • Kunden und Interessenten achten schon heute darauf, bei wem sie kaufen. Das gilt auch in B2B.
  • Investoren prüfen zunehmend nicht-monetäre Aspekte, wenn es um ihre Anlagen geht.
  • Für Mitarbeiter geht es längst nicht mehr nur um Gehalt, sondern auch um den Sinn Ihrer Arbeit und den des Unternehmens, für das sie arbeiten.

Es liegt auf der Hand, dass Messen und Events eine wichtige Rolle in der Nachhaltigkeitsstrategie von Unternehmen einnehmen. Nirgendwo sonst kommen so viele Stakeholder der Marke so nahe. Messe- und Eventmanager sowie deren Teams sind zunehmend gefordert, belastbare und nachvollziehbare Antworten geben zu können. Es ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen

 

*Nachhaltigkeit berücksichtig neben ökologischen auch ökonomische und soziale Aspekte. Auf diese gehen wir im Verlauf des Beitrags ebenfalls ein.

Was können Messe- und Eventmanager tun?

Wir von fairconcept haben keine grüne Vergangenheit. Nachhaltigkeit ist nicht Teil unserer DNA und wir haben nicht auf den richtigen Zeitpunkt gewartet, dies endlich mit der Welt teilen zu können. Aber wir haben uns in das Thema reingekniet und haben gelernt. Daher verstehen wir: Das Thema ist komplex. Unter jedem umgedrehten Stein finden sich 2 neue ungelöste Themen. Wer einmal anfängt, findet nur schwer ein Ende. Zudem kommt: Die Diskussion wird emotional geführt. Jedes Argument erzeugt ein Gegenargument.
So überrascht es nicht, dass viele Unternehmen erstmal Arbeitskreise bilden und über Zielbilder diskutieren: in über 50 Kundeninterviews haben wir festgestellt, dass viel geredet und wenig gemacht wird. Nachhaltigkeit lebt aber von aktiven Handlungen. Insbesondere dann, wenn Besucher auf Veranstaltungen Antworten verlangen.

Die wichtigsten Themen aus den Kundeninterviews lassen sich in den folgenden Clickingfragen zusammenfassen:

  • Können Messen und Events nachhaltig sein? Wenn ja, wie?
  • Was bedeutet Nachhaltigkeit für Messen und Events überhaupt?
  • Welche Möglichkeiten haben Messe- und Eventmanager, jetzt aktiv zu werden?
  • Wie kann der Vorwurf des Greenwashings vermieden werden?
  • Was tun die anderen?
  • Wie passt das in die Unternehmensstrategie?
  • Was können die Messe- und Eventmanager tun, deren Unternehmen noch gar keine Nachhaltigkeitsstrategien haben?
  • Wie mit emotionalen Diskussionen umgehen?

Aus den Interviews und den offenen Fragen entstand die Idee für das Pilotprojekt. Wir wollten

  • einen Weg finden, auf dem man dem Thema pragmatisch begegnen kann. 
  • den vollständigen CO2-Fußabdruck eines Messeprojekts berechnen.
  • herausfinden, ob wir, und wenn ja welche, Schlüsse aus der Bilanz ziehen können.
  • ermitteln, welchen Aufwand dies für alle Stakeholder bedeutet.
  • Überlegen, wie wir das sinnvoll kommunizieren könnten. Belastbar, transparent und für jeden nachvollziehbar.
 
Die Ergebnisse und den Weg dorthin teilen wir hier.
 

Die CO2-Bilanz als Fundament für eine transparente und nachvollziehbare Nachhaltigkeitsstrategie.

Wir haben uns für uns die folgende Strategie entwickelt, mit der wir alle Stakeholder, intern und extern, mitnehmen konnten:

Phase 1: Informieren: Bewusstsein schaffen und Know-how aufbauen.

Phase 2: Bilanzieren: Status-quo ermitteln

Phase 3: Reduzieren: Geeignete Maßnahmen ergreifen

(Phase 4: Kompensieren: Den unvermeidbaren Rest ausgleichen.)

Phase 5: Kommunizieren: Phase 2, 3 und ggfls. 4 transparent und nachvollziehbar kommunizieren, nach innen und außen.

 

5-Phasen-Modell zur Implementierung einer Nachhaltigkeitsstrategie für Messen und Events

Die 5 Phasen einer Nachhaltigkeitsstrategie für Messen und Events.

Phase 1 – Informieren für einen guten Projektstart

Ganz simpel: ein gemeinsamer Workshop. Sowohl im Team, als auch mit den beteiligten Projektpartnern (Geschäftsführung, Bereichsleitung, interne Logistik, Messebau, Catering, Hotels etc.). Es ist wichtig, offene Fragen zu besprechen und Vorbehalte zu diskutieren. Meistens ging es einfach nur darum, Hintergründe zu beleuchten und Wissenslücken zu schließen. Diese Phase ist unerlässlich, da sie die beteiligten wirklich befähigt, Antworten auf Fragen zur Nachhaltigkeit in Messe und Events geben zu können. 

Phase 2:  Die Bilanz als das Herzstück

Herausfordernd bei der Bilanzierung von Emissionen ist deren Zuordnung sowie die Definition von Systemgrenzen. Messen und Events werden in Scope 3 erfasst. Das bedeutet, dass selbst berichtspflichtige Unternehmen die dort emittierten Treibhausgase nicht bilanzieren müssen. Die folgenden Beispiele verdeutlichen, warum dies problematisch ist: 

  • Messeveranstalter können klimaneutrale Unternehmen sein, ohne ihre Produkte, Messen, zu berücksichtigen.
  • Aussteller können klimaneutrale Messeprojekte realisieren, ohne die Besucher zu berücksichtigen. 

 

In beiden Beispielen kann man sich leicht vorstellen, dass die unberücksichtigten Emissionen zu den großen Treibern der Klimabilanz zählen. 

Viele als klimaneutral gelabelte Messestände und Events sind daher nichts anderes als das Ergebnis von grob geschätzten Bilanzen. Das primäre Ziel ist die Klimaneutralität auf der einen, und der Verkauf von Ausgleichszertifikaten auf der anderen Seite. Es liegt auf der Hand, dass Stakeholder dies mindestens kritisch hinterfragen:

  • Treiber der Bilanz werden nicht vollständig identifiziert
  • Daher geht es eher um Kompensation als um Reduktion
  • Der Vorwurf des Greenwashings ist somit kaum zu entkräften
  • Standmitarbeiter haben häufig keine Ahnung
  • Der Kommunikationswert tendiert gegen 0, oder ist sogar negativ. 

 

Clickingfragen, die sich daraus ergeben haben:

  • Wie bilanziert man ein Messe- und Eventprojekt vollständig?
  • Welche Einflussfaktoren gehören zu einer vollständigen Bilanz, welche nicht?
  • Welche Standards gibt es bereits?
  • Wie kann eine hohe Datenqualität sichergestellt werden?
  • Wie können falsche Angaben verhindert werden?

Einflussfaktoren einer vollständigen Bilanzierung:

  • Anfahrt der Mitarbeitenden (Aussteller & Messebauer)
  • Übernachtungen der Mitarbeitenden (Aussteller & Messebauer)
  • Energieverbrauch am Messestand
  • Verbrauchsmaterialeien (Aussteller)
  • Transport zur Messe (Aussteller und Messebauer)
  • Produktion des Messestands: Materialien und Eingangslogistik (Messebauer)
  • Energieverbrauch Herstellung 
  • Abfall (Aussteller)

 

 

Datenerhebung und -erfassung:

Die Daten wurden in einer XLS erfasst.  Der Aufwand war ausstellerseitig mit 0,5 Tagen überschaubar, auf Messebauseite dafür umso aufwendiger. Wir wollten uns nicht mit Schätzungen zufrieden geben, der Messestand und seine Materialien wurden im Detail bilanziert. Hierfür wurden auch vorgelagerte Lieferketten berücksichtigt. Der Aufwand hierfür lag bei ca. 3 Tagen. Bei großen Messe- und Eventprojekten kann der Aufwand hier nochmal deutlich höher sein. Wir halten es für fair, diesen Aufwand ist bei solchen Projekten zu berücksichtigen und ggfls. zu kalkulieren. 

Gleichzeitig ist die Lernkurve steil. Messebauunternehmen, die hier Kompetenzen erwerben, werden mit Sicherheit auch einen Wettbewerbsvorsprung erzielen können. Zudem gibt es mittlerweile webbasierte Lösungen, die die Datenerhebung und Kontrolle vereinfachen. 

Wichtig ist die Datenqualität. Nur, wenn an der Stelle sauber recherchiert wird, kann mit den Ergebnissen sinnvoll gearbeitet werden. Die Mitwirkung von unabhängigen und neutralen Profis, die jede Angabe beurteilen und kritisch hinterfragen können, hat sich als sehr hilfreich erwiesen. 

Mit den so gewonnenen Daten konnte die Bilanz erstellt, sowie diverse hypothetische Berechnungen angestellt werden:  

 

Was haben wir herausgefunden?

  1. Besucher sind ein großer Treiber in der Bilanz. Es macht daher keinen Sinn, auf deren Ermittlung zu verzichten. Selbst dann, wenn sie für die Klimaneutralität nicht gefordert wären.
  2. Der Messestand, sein Materialmix und die Transporte sind große Treiber in der Bilanz.
  3. Hybride Strategien helfen, die Gesamtbilanz zu entlasten (siehe Phase 3)
  4. Die so gewonnenen Daten können weiter verwendet werden, um beispielsweise Messen mit anderen Instrumenten der Live Kommunikation zu vergleichen (Stichwort: Nutzwertrechnung). Möglicherweise stellen wir dadurch fest, dass Messen und Events sogar einen positiven Beitrag leisten können, sofern wir davon ausgehen dass die persönliche Begegnung von Menschen unverzichtbar ist.

Phase 3: Reduktionspotenziale identifizieren und erschließen.

  1. Besucher sind ein großer Treiber in der Bilanz. Es gilt zu überlegen, wie diese für eine klimafreundliche Anreise incentiviert werden können.
    Beispiele, wie dies gelingen kann, gibt es bereits. Der DAV, die die An- und Abreise als die größten Treiber im Bergsport identifiziert haben, lösen es so: Link zum DAV
  2. Der Messestand selbst ist ein großer Treiber:
    a. Wiederverwendung durch Modularität ist eine Maßnahme zur Reduktion. In dem vorliegenden Fall kann die Reduktion für den Stand mit jeder Verwendung um über 50% reduziert werden.
    b. Der Materialmix kann weiter optimiert werden, um die ursprüngliche Emission bei der Herstellung von Anfang an zu reduzieren. Systemelemente, etc.
    c. Wenn Standbaumaterial nicht verschrottet, sondern einer weiteren Verwendung zugeführt wird, entsteht echte Kreislaufwirtschaft. Entsprechende Angebote existieren bereits.
  3. Messebeteiligungen und Events an sich sind Treiber:
    Hybride Strategien führen dazu, dass Unternehmen auf eine oder mehrere Messen und Events pro Turnus verzichtet. Dass dies die CO2 Gesamtbilanz entlastet, liegt auf der Hand. Aber auch auf das (Finanz-)Budget hat dies einen großen Einfluss.
  4. Der Verzicht auf permanent neue Ausschreibungen bedient zusätzlich den ökonomischen Aspekt der Nachhaltigkeit, schont interne und externe Ressourcen (Zeit, Personal, Geld)..

Phase 4: Kompensieren oder nicht


Wir halten Kompensation nicht für falsch, ganz im Gegenteil. Für Projekte werden damit Einnahmen generiert, ohne die es die Projekte nicht geben würde. Jedoch sollte die Reduktion im Vordergrund stehen. Wir verstehen Kompensation dann als wertvoll, wenn damit ein nach Reduktionsmaßnahmen unvermeidbarer Rest ausgeglichen wird. Dies lässt sich auch nachvollziehbar kommunizieren.
In diesem Projekt haben wir uns daher dafür entschieden, zunächst die Reduktionspotanziele auszuschöpfen, dann erneut zu bilanzieren um die Fortschritte sichtbar zu machen und dann zu kompensieren. Und dies entsprechend zu kommunizieren.

Phase 5: Kommunikation

Kommunikation ist das A&O einer Nachhaltigkeitsstrategie. Dabei gilt es, belastbare Fakten transparent und nachvollziehbar darzustellen. Nur so kann einem teilweise emotionalen Thema objektiv begegnet werden. Objektivität ist einer der Schlüssel, die über den Erfolg einer Nachhaltigkeitsstrategie für Messen und Events entscheiden. 

 

Fazit

Wir haben das Pilotprojekt mittlerweile duzendfach präsentiert und mit Messe- und Eventverantwortlichen sowie Experten aus dem Bereich Nachhaltigkeit diskutiert. Daraus lernen wir:

  • Die Phasen Information und Kommunikation sind wertvoll. Durch die im Projekt angestoßenen Diskussionen konnten wir Teammitgliedern und Stakeholdern Zugänge und Perspektiven zum Thema Nachhaltigkeit öffnen. Ein Thema welches sonst überwiegend auf einer abstrakten Ebene geführt wird. Eine Ebene, die keiner von uns beeinflussen kann.
  • Dadurch hatten Teammitglieder zu jeder Zeit das Gefühl, Teil des Projekts zu sein. Die Impulse aus dem Projekt haben weit über das Projekt bis hinein in private Wirkungsfelder gereicht. Wir konnten zeigen, dass jeder etwas tun kann, in seinem Rahmen.
  • Konkrete Zahlen haben dazu geführt, dass wir über alle Aspekte des Messeprojektes diskutieren konnten. Wir konnten diskussionswürdige Aspekte von Nebelkerzen unterscheiden. Dadurch gewinnt jede Diskussion an Substanz.
  • Die Zahlen führen zu Verständnis über Relationen. Wieviel sind 16t CO2? Was verursacht noch 16t CO“? Ist das viel? Wenig?
  • Zahlen sorgen für Motivation bei der Erreichung definierter Ziele. Nicht umsonst wird beim Sport auch gezählt.
  • Zahlen machen die Handlungen messbar. Erfolge kontrollierbar. Nur so können Bemühungen um die Nachhaltigkeit transparent belegt werden.
  • Nur durch Zahlen entsteht ein Kommunikationswert.

 

Wichtigstes Learning: Alle hier genannten Hebel haben nicht nur einen positiven Effekt auf die CO2-Bilanz der Messebeteiligung, sondern gleichzeitig auch auf das Budget. Das wird in der Diskussion um Nachhaltigkeit gerne übersehen.

Wir freuen uns, dass wir mit diesem Pilotprojekten schon vielen Unternehmen für deren Messen und Events einen Impuls geben konnten.

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